HEALTH & FITNESS

Beauty in einem Guss

«Kneippen» ist weit mehr als im Storchengang durch knietiefes Wasser waten. In vielen Spas und Bädern sind integrierte Kneipp-Becken eine Form von Wellness, Prävention und Gesundung – und die ganzheitlichen Methoden sind aktueller denn je!

Veröffentlicht am 08.12.2021

Der auch als «Wasserdoktor» bezeichnete Pfarrer Sebastian Kneipp würde in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag feiern. Sein Buch «So sollt ihr leben!» ist auch nach 132 Jahren noch immer ein Bestseller. In Verbindung gebracht wird Sebastian Kneipp vorrangig mit Wasser. Dabei entwickelte er auf Basis vorhandener Methoden – deren Grundlagen schon bei den alten Griechen und Römern lagen – neue Anwendungen, probierte, verfeinerte und lehrte.

 

Von der Erfahrung zur Methode

Inspiriert wurde der junge Kneipp durch das Büchlein «Unterricht von Krafft und Würckung des frischen Wasser» des Arztes Johann Siegmund Hahn. Kneipp versuchte, seine Lungenkrankheit zu heilen, indem er regelmässig in die kalte Donau sprang und Wassergüsse an sich probierte. Es half – er wurde wieder gesund. Als ein Mitstudent lungenkrank wurde und Kneipp um Hilfe bat, fehlte für die Therapie ein fliessendes Gewässer.

Hilfe bot eine Giesskanne, die die Wasseranwendungen revolutionierte:

  • Das eigenständige Begiessen der Beine kam in etwa dem Gang in den Fluss nahe.
  • Menge und Druck des Wassers konnten beim Giessen gezielt gesteuert werden.
  • Der Guss erfolgte von den Knien über die Schenkel, die Brust bis hin zu den Schultern.

Diese Giesstechnik verfeinerte Kneipp während der nachfolgenden Studienjahre. Als er als junger Pfarrer seine Stelle in Wörishofen antrat, half dieses Wissen den kränklichen Klosterschwestern. Der Erfolg sprach sich schnell herum – immer mehr Hilfesuchende kamen, sodass Kneipp einige Dominikanerinnen und drei seiner Nichten als Giesserinnen ausbildete. Mit dem Erfolg wuchs der Neid. Kneipp wurde wegen eines fehlenden Medizinstudiums und trotzdem erfolgender gesundheitlicher Anwendungen «Kurpfuscherei» vorgeworfen. Erzählungen nach bat ein Richter nach der Verurteilung um Wassertipps gegen seine eigenen Beschwerden.

Weltweit fanden Kneipps Güsse, Wickel und Bäder Anwendung, eine einheitliche Ausbildung gab es bis etwa Mitte der 1950er Jahre nicht. Heute stehen Interessierten zahlreiche Kurse und eine Ausbildung als Gesundheitstrainer nach Kneipp mit einheitlichem Wissensstand offen. «Wasser ist nur eine der fünf Säulen, die nach Pfarrer Kneipp der Gesundheit und damit auch Schönheit dienen», so die mit Kneipps Wirken eng verbundene Heilpraktikerin Elvira Bierbach. «Das Wasser wird dabei mal kalt, mal warm angewandt und stärkt die Selbstheilungskräfte im Körper.»

 

 

Wasserkraft – und noch viel mehr!

«Wir bestehen zu 70 bis 80 Prozent aus Wasser. Durch Bäder, Güsse, Wickel und Abklatschen erhöhe ich die Sauerstoffzufuhr, indem die Durchblutung gefördert wird. Gleichzeitig wird der Lymphfluss aktiviert, werden Immunsystem und Bindegewebe gestärkt und Schlackenstoffe abtransportiert. Bei einem Wasserguss wird das vegetative Nervensystem und damit auch die Hormonproduktion harmonisiert. Dies alles fördert auch die Schönheit. Denn unabhängig von wechselnden Idealen sind Wohlfühlen und gesundes Aussehen mit strahlenden Augen und straffer Haut immer gefragt.»

 

Pommes und Sofa?

Nein, danke! Eine weitere Säule des ganzheitlichen Kneippens ist die Ernährung. «Wir brauchen gutes Baumaterial, um gesund zu sein. Aus Fritten und Palmöl kann kein Körper gute Nährstoffe zaubern», so Elvira Bierbach. «Die Ernährung nach Kneipp sollte ausgewogen sein; regional, saisonal, frisch zubereitet, viel Pflanzliches, nicht so Gesundes nur in Massen.» Zu Kneipps Zeiten gab es zumindest in gehobenen bürgerlichen und adeligen Schichten Auswirkungen des übermässigen und falschen Essens und schlechten Lebensstils.

Bewegung heisst die dritte Säule der Wohlfühl-Lehre des Wörishofener Pfarrers. «Bewegungsfaule Gichtpatienten liess er Holz hacken, empfahl Spaziergänge, Wanderungen und Gartenarbeit. Heute kann die Bewegung durchaus auch Tanzen oder Schwimmen sein, keinesfalls eine zwangsweise verkrampfte Joggingstunde.»

 

Kräuterkraft und Ruhe

Die Wirkung der vierten Kneipp-Säule, der Pflanzenheilkunde, ist heute in weiten Teilen wissenschaftlich erwiesen. Der Pfarrer verwendete zahlreiche Wildkräuter, die auch heute noch im Vergleich zu Supermarktgemüse ein Vielfaches an Vitaminen und Mineralstoffen enthalten. Bädern zugesetzt entfalten sie zielgerichtet eine wohlfühl- und damit gesundheitsfördernde Wirkung.

Work-Life-Balance würde neudeutsch die fünfte Säule von Kneipps Lehre genannt werden, die ursprüngliche Ordnungstherapie. «Alles zu seiner Zeit und in rechten Massen» lautet diese Grundlage. «Bei der heutigen Reizüberflutung sind Fokussierung und Rhythmus wichtig. Wenn stets die Nacht zum Tag gemacht wird, ist das nicht gesundheitsförderlich. Da helfen dann irgendwann auch keine Wickel mehr», so Kneipp-Fachfrau Bierbach. Schon Kneipp verwies auf die Notwendigkeit eines ausgewogenen Lebens: «Kaum irgendein Umstand kann schädlicher auf die Gesundheit wirken als die Lebensweise unserer Tage: ein fieberhaftes Hasten und Drängen aller im Kampfe um Erwerb und sichere Existenz. Es muss das Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Lebensweise und dem Verbrauch an Nervenkraft.»

 

Das Verdienst von Kneipp

«Er hat die Wasserheilkunde nicht erfunden, aber mit anderen heilenden Faktoren in ein Konzept gebracht, optimiert und systematisiert», so Elvira Bierbach, Heilpraktikerin und Sprecherin der Gesamtkonferenz Deutscher Heilpraktikerverbände und Fachgesellschaften: «Wahrscheinlich wäre Pfarrer Kneipp heute ein vom Gesundheitsamt überprüfter Heilpraktiker. Seine Methoden fördern die Selbstheilungskraft des Körpers. Damals standen ihm keine Studien zur Verfügung. Er hat beobachtet, angewendet, niedergeschrieben.» Etwa 120 verschiedene Wasseranwendungen entwickelte der noch zu seinen Lebzeiten anerkannte und weltweit geschätzte «Wasserdoktor» – von Waschungen bis hin zu Güssen, von Wickeln bis zu Kräuterbädern. Heute sind die Wirkweisen einiger Methoden wissen-schaftlich belegt: So stärken die Wasseranwendungen das Immunsystem, erhöhen die Sauerstoffzufuhr und regen den Lymphfluss an. Die Sichtweise des Wohlfühlens als Einheit von Körper, Geist und Seele mit fünf Säulen war damals revolutionär – und ist heute immer noch hochaktuell.

Mal eintauchen, mal übergiessen – Schönheitstipps à la Kneipp

Das Armbad – «Kneippscher Espresso»

  • natürlicher anregender Wachmacher
  • fördert Stoffwechsel und Blutzirkulation
  • erfrischt bei Abgeschlagenheit und Müdigkeit

Durchführung: Waschbecken oder Schüssel mit Wasser (12–18 °C) füllen, warme Hände und Arme bis zur Mitte der Oberarme eintauchen (ca. 30–40 Sekunden), dabei tief durchatmen. Anschliessend Wasser abstreifen, mit Armen pendeln und mit Kleidung erwärmen.

 

Schönheitsguss für das Gesicht

  • durchblutungsfördernd, straffend
  • vier Wochen lang je zweimal täglich anwenden

Durchführung: Ein Handtuch umlegen und das Gesicht nach vorne beugen. Nun den kühlen Wasserstrahl mit mittlerem Druck an der rechten Schläfe beginnen, über die Stirn zur linken Schläfe führen und wieder zurück. Dabei durch den Mund ein- und ausatmen. (Eine kurze Atemunterbrechung ist möglich). Dreimal mit dem Wasserstrahl das Gesicht umkreisen. Anschliessend nicht abtrocknen, sondern das Wasser mit der Hand wegwischen. Nicht anwenden bei Stirn- und Nasennebenhöhlen- und Nervenentzündungen, Augenkrankheiten.

 

 

 

 

 

Cornelia Klammt war als Redakteurin und Autorin für ARD, ZDF und RTL tätig, bevor sie Kosmetik, Massagen und Spa-Management lernte und in verschiedenen Spas arbeitete. Heute unterstützt sie Wellness-Anbieter und Kosmetikunternehmen bei der Öffentlichkeitsarbeit. www.corneliaklammt.de

 

 

 

 

Text: Cornelia Klammt

Photos: stock.adobe.com (2), Cornelia Klammt (1)

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